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Bewegung in der deutschen Tariflandschaft

Verhandlungen zwischen Tarifparteien waren in der Vergangenheit gekennzeichnet durch kollektive Gespräche auf überbetrieblicher Ebene zwischen Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden. In den letzten Jahren haben jedoch auch einzelbetriebliche Lösungen an Bedeutung gewonnen. Rechtliche Grundlagen hierfür sind das Grundgesetz, das den Tarifparteien sowohl positive als auch negative Koalitionsfreiheit gewährt und das Tarifvertragsgesetz, das die Bestimmungen zur kollektiven Lohnfindung, wie zum Beispiel die Tarifgebundenheit der Tarifvertragsparteien und die Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen regelt. Das Prinzip der Tarifeinheit wird hingegen nicht durch das Tarifvertragsgesetz festgelegt, sondern wurde durch das Bundesarbeitsgericht im Laufe der Jahre entwickelt.

Vor kurzem ließ das Bundesarbeitsgericht in seiner Rechtsprechung jedoch den Grundsatz der Tarifeinheit fallen und hat damit den Weg frei gemacht für eine Neuausrichtung des deutschen Tarifrechts (BAG 4 AZR 549/08). Zukünftig können demnach mehrere Tarifverträge in einem Betrieb gelten. Das entspricht der wachsenden Bedeutung von Spartengewerkschaften.

Während die großen Gewerkschaften in den letzten Jahren stetig Mitglieder verlieren, haben sich eigenständige Spartengewerkschaften gebildet, die zum Teil ohne Dachverband berufsbezogene Tarifverträge mit Arbeitgeberverbänden und Unternehmen ausgehandelt haben. Die bekanntesten Beispiele hierfür sind die Gewerkschaften der Piloten, die Vereinigung Cockpit und der Krankenhausärzte, der Marburger Bund. Mit der zunehmenden Spezialisierung auf einzelne Berufsgruppen wird das Prinzip der Tarifeinheit mehr und mehr in Frage gestellt und es entsteht eine Tarifpluralität, die zu einer Wettbewerbssituation zwischen verschiedenen Tarifen innerhalb eines Unternehmens führt.

Allgemein unterscheidet man bei Tarifverträgen zwei Wettbewerbssituationen: Tarifpluralität und Tarifkonkurrenz. Gelten in einem Unternehmen für verschiedene Arbeitnehmergruppen unterschiedliche Tarifverträge, besteht Tarifpluralität. Tarifkonkurrenz ist gegeben, wenn ein einzelnes Arbeitsverhältnis im Unternehmen von mehreren Tarifverträgen erfasst werden kann. Bisher wurde hier die Tarifeinheit durch die Prinzipien der Spezialität und Repräsentativität erhalten. Standen mehrere Tarifverträge in Konkurrenz, so fand derjenige Anwendung, der dem Betrieb räumlich, betrieblich und fachlich am nächsten stand und somit besser auf die Eigenheiten des Betriebes abgestimmt war. Konnte die Spezialität nicht eindeutig festgelegt werden, kam das Kriterium der Repräsentativität hinzu. Es sollte derjenige Tarifvertrag Anwendung finden, der von der Gewerkschaft ausgehandelt wurde, die mehr Arbeitnehmer im Unternehmen repräsentierte.

Nachdem Beschluss des Bundesarbeitsgerichts soll in Zukunft auch Tarifkonkurrenz in einem Unternehmen möglich sein. Mehrere Tarifverträge können damit parallel in einem Betrieb gelten, ohne dass eine Verdrängung eines Tarifes zugunsten eines anderen stattfindet.

Die neue Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Tarifeinheit hat damit zwei Effekte: Zum einen würde die heute mancherorts bereits faktische Tarifpluralität auch rechtlich möglich und es wäre damit eine Verstärkung der berufsgruppenspezifischen Spartengewerkschaften zu erwarten und zum anderen könnten in Zukunft in einem Betrieb für ein Arbeitsverhältnis konkurrierende Tarifverträge nebeneinander bestehen. Homogene Arbeitnehmergruppen werden jedoch wahrscheinlich wenig Interesse daran haben, sich in unterschiedliche Gewerkschaftsgruppen zu zersplittern. Insoweit ist fraglich, ob die Tarifkonkurrenz die Gewerkschaftslandschaft verändern wird. Auf jeden Fall wird Bewegung in die deutsche Tariflandschaft kommen. Ob eine – wie auch immer geartete – Tarifeinheit weiter bestehen wird, hängt von der Durchsetzungskraft der einzelnen Interessengruppen ab.

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