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Pflichtteilsstufenklage

Das Landgericht Stuttgart hatte in einem von uns erstrittenen Urteil entschieden, dass ein Klageantrag bei einer Stufenklage (Pflichtteilsergänzung), der keine Angabe darüber enthält, zu welchem Stichtag die Wertermittlung begehrt wird, unzulässig ist. Des Weiteren war die Klage unbegründet, da die Klägerinnen nicht schlüssig und substantiiert dargelegt haben, dass eine (gemischte) Schenkung der Immobilie an einen fremden Dritten vorlag. Die gegen das Urteil eingelegte Berufung haben die Klägerinnen nach Hinweis des Oberlandesgerichts Stuttgart, dass die Berufung nicht innerhalb der Berufungsfrist eingelegt wurde, zurückgenommen.


Endurteil LG Stuttgart vom 17.03.2023, 7 O 448/21:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerinnen haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Die Kläger machen als leibliche Kinder des am (…) verstorbenen (…) (im Folgenden „der Erblasser“) im Wege der Stufenklage einen Wertermittlungs- und Zahlungsanspruch gegen die Beklagte als Ehefrau des Erblassers geltend.

Mit notariellem Kaufvertrag vom (…) (Anlage K 7) verkauften der Erblasser und die Beklagte die in ihrem gemeinschaftlichen Eigentum stehende Immobilie (…) in Aichwald (im Folgenden „die Immobilie“) an (…) (im Folgenden „der Käufer“) zum Preis von 250.000,00 €. Das Grundstück verfügte über eine Größe von 721 qm. Der Erblasser und die Beklagte tätigten den Verkauf der Immobilie bewusst im Hinblick auf spätere Streitigkeiten mit den Klägerinnen. Unter § 3 des Kaufvertrages erklärten die Beteiligten, dass es sich um einen vollentgeltlichen Verkauf unter fremden Dritten handelte. Der Erblasser und die Beklagte waren mit dem Käufer nicht verwandt oder befreundet. Unter § 5 des Kaufvertrages vereinbarten die Beteiligten:

„Die Besitzübergabe hat spätestens am 01.12.2017 zu erfolgen, nicht jedoch vor vollständiger Kaufpreiszahlung.

Der Vertragsgegenstand ist (bis auf das Dachgeschoss) nicht vermietet oder verpachtet, sondern wird von den Verkäufern bewohnt, was auch künftig so bleiben soll.

Die Vertragsbeteiligten, der Verkäufer als Mieter und der Käufer in seiner Eigenschaft als künftiger Eigentümer und damit künftiger Vermieter, schließen ab Besitzübergabe auf unbestimmte Zeit einen Mietvertrag über den Vertragsgegenstand. Die Beteiligten vereinbaren eine monatliche Miete von € 850,00, zuzüglich der umlagefähigen Nebenkosten. Diese Miete kann 10 Jahre lang nicht erhöht werden.  Der Käufer / künftige Vermieter verzichtet für die Dauer von 10 Jahren auf sein Kündigungsrecht. Eine Kaution ist nicht geschuldet. Etwaige Ansprüche der Beteiligten wegen vorzeitiger Beendigung des Mietverhältnisses bestehen nicht bzw. werden bereits jetzt ausgeschlossen.

Die Untervermietung der Räumlichkeiten im Dachgeschoss ist den Hauptmietern (…, [Erblasser und Beklagte]) gestattet, allerdings gebunden an das Mietverhältnis der Eheleute (…). Sollte das Mietverhältnis seitens der Eheleute (…) vorzeitig aufgelöst werden (eine Kündigung ist jederzeit unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von 3 Monaten möglich), ist das Recht zur Untervermietung ebenfalls erloschen und die Dachgeschossebene zu räumen.“

Einen entsprechenden Mietvertrag hatten die Beteiligten des Kaufvertrages bereits am 14.09.2017 geschlossenen (Anlage H 1). Der Erblasser und die Beklagte waren mit Ausnahme von Schönheits- und Kleinreparaturen von Instandhaltungskosten befreit.

Mit Testament vom 10.04.2018 setzte der Erblasser die Beklagte als Alleinerbin ein.

Nach dem Tod des Erblassers am (…) forderten die Klägerinnen die Beklagte mit Schreiben vom 01.02.2021 (Anlage K 1) auf, ein Nachlassverzeichnis zu erstellen, Auskunft über alle Schenkungen an Dritte innerhalb der letzten 10 Jahre zu erteilen und den sich daraus ergeben- den Pflichtteil an sie auszubezahlen.

Mit Schreiben vom 26.03.2021 (Anlage K 2) teilte die Beklagte den Verkauf und die Anmietung der Immobilie im Jahr 2017 mit und übersandte ein Nachlassverzeichnis. Mit Schreiben vom 30.04.2021 (Anlage K 3) reichte die Beklagte ein ergänztes Nachlassverzeichnis nach und berechnete den Pflichtteil der Klägerinnen auf jeweils 31.689,82 €. Mit Schreiben vom 04.05.2021 und 16.05.2021 (Anlage K 4) forderten die Klägerinnen die Beklagte auf, den von ihr bezifferten Pflichtteilsanspruch als Mindestbetrag an sie auszuzahlen und den Marktwert der Immobilie zum Zeitpunkt des Verkaufs auf Basis einer Sachverständigenwertermittlung mitzuteilen. Mit Schreiben vom 15.05.2021 und 23.05.2021 (Anlage K 5) teilte die Beklagte den Klägerinnen mit, dass sie die Auszahlung des bezifferten Pflichtteils in Höhe von 31.689,82 € davon abhängig mache, dass die Klägerinnen ihr jeweils eine Bestätigung über die Erledigung der Angelegenheit überließen. Mit Schreiben vom 23.05.2021 lehnte die Beklagte die Erstellung eines Wertgutachtens ab. Mit anwaltlichem Schreiben vom 30.06.2021 (Anlage K 6) forderten die Klägerinnen die Beklagten nochmals auf, ein Wertgutachten vorzulegen und den unstreitigen Pflichtteil auszubezahlen.

Mitte Juli 2021 zahlte die Beklagte jeweils 31.689,82 € auf die Konten der Klägerinnen aus. Mit Schreiben vom 31.08.2021 forderten die Klägerinnen die Beklagte nochmals auf, das Wertgut- achten für die streitgegenständliche Immobilie bis zum 17.09.2021 vorzulegen. Die Kläger sind der Auffassung, es liege eine gemischte Schenkung der Immobilie vor, welche dem Nachlass des Erblassers fiktiv zugerechnet werden müsse. Es bestehe ein grobes Missverhältnis zwischen dem Wert der Immobilie und dem tatsächlich erzielten Kaufpreis.

Sie behaupten, die Immobilie sei deutlich unter Marktwert veräußert worden. Allein der Wert des 721 qm großen Grundstücks betrage 338.870,00 € unter Zugrundelegung des Bodenrichtwerts zum 31.12.2018, 296.000,00 € unter Zugrundelegung des Bodenrichtwerts 2017/2018. Bebaute Grundstücke der gleichen Größe im Ortsteil Aichwald-Schanbach seien im Jahr 2017 zu einem Preis zwischen 560.000,00 € und 680.000,00 € veräußert worden.

Bei einer geschätzten Größe der Immobilie von 160 m² ergebe sich für das Jahr 2017 eine monatliche Vergleichsmiete in Höhe von 1.600,00 €. Aus der im Kaufvertrag vereinbarten Miete und der vereinbarten Laufzeit für den Mietvorteil von 10 Jahren ergebe sich ein Gesamtvorteil zugunsten der Veräußerer in Höhe von 90.000,00 €. Nehme man einen Wert der Immobilie von 60.000,00 € an, läge eine Schenkung in Höhe von 260.000,00 € vor.

Die Klägerinnen hätten die Beklagte außergerichtlich selbst mehrfach aufgefordert, den schon bezifferten Pflichtteilsbetrag auszubezahlen und Auskunft zu erteilen.

Die Kläger[innen] beantragen im Wege der Stufenklage:

1. Die Beklagte wird verurteilt, das zum fiktiven Nachlass gehörende Grundstück ,,Grund- buch von Schanbach (…) Aichwald, Gebäude- und Freifläche‘‘ durch einen unparteiischen Sachverständigen bewerten zu lassen und das Gutachten der Klägerin Ziff. 1 und Ziff. 2 vorzulegen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Ziff. 1 nach Wertermittlung einen noch zu beziffernden Betrag nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.07.2021 als Pflichtteilsergänzung zu zahlen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Ziff. 2 nach Wertermittlung einen noch zu beziffernden Betrag nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.07.2021 als Pflichtteilsergänzung zu zahlen.

4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Ziff. 1 und Ziff. 2 jeweils außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.319,00 € als Verzugsschaden nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 14.07.2021 zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Beklagte behauptet,

der Erblasser und die Beklagte hätten nicht beabsichtigt, einem fremden Dritten die Immobilie teilweise unentgeltlich zu überlassen. Der Verkauf sei nur aufgrund des zuvor geschlossenen, günstigen Mietvertrages möglich gewesen. Bei der Berechnung des Wertes der Immobilie sei der Bodenrichtwert zum Stichtag 31.12.2016 maßgeblich. Im Falle einer Differenz zwischen tatsächlichem und erzielte(m) Kaufpreis sei diese im Zusammenhang mit dem zuvor geschlossenen Mietvertrag zu bewerten. Bei der Höhe des Mietvorteils sei nicht nur auf den Mietpreis im Jahr 2017 abzustellen, sondern auch die jährliche Erhöhung der Mietpreise in Aichwald-Schanbach zu berücksichtigen. Die Wohnfläche sei der Beklagten unbekannt. Der Erblasser und die Beklagte hätten keine Kenntnis davon gehabt und hätten nicht gewollt, dass das „Gesamtpaket“ weit unterhalb eines erzielbaren Wertes gewesen sei.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstands wird auf den Akteninhalt, namentlich die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Hinweise des Gerichts in der mündlichen Verhandlung vom 08.12.2022 (Bl. 55, 56 d. A.) und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 08.12.2022 (Bl. 54 ff. d.A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist teilweise unzulässig, im Übrigen unbegründet.

I.

Der Klageantrag Ziffer 1 ist unzulässig.

1. Grundsätzlich ist die Erhebung der Klage im Wege der Stufenklage zulässig gemäß § 254 ZPO. Die Geltendmachung eines Wertermittlungsanspruchs nach § 2314 Abs. 1 Satz 2 BGB im Wege der Stufenklage wie vorliegend ist zulässig (BGH NJW 2001, 833).

2. Der Klageantrag Ziffer 1. ist jedoch mangels hinreichender Bestimmtheit im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO unzulässig.

Ein Klageantrag ist hinreichend bestimmt, wenn er den erhobenen Anspruch durch Bezifferung oder gegenständliche Beschreibung so konkret bezeichnet, dass der Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis (§ 308 Abs. 1 ZPO) klar abgegrenzt ist, Inhalt und Umfang der materiellen Rechtskraft der begehrten Entscheidung (§ 322 Abs. 1 ZPO) erkennbar sind, das Risiko des eventuell teilweisen Unterliegens des Klägers nicht durch vermeidbare Ungenauigkeit auf den Be- klagten abgewälzt und eine etwaige Zwangsvollstreckung nicht mit einer Fortsetzung des Streits im Vollstreckungsverfahren belastet wird (BAG NJW 2021, 2379 Rn. 19; BGH NJW 2018, 1259 Rn. 8; BGH, NJW 2003, 668; BGH, NJW 2003, 668; BAG, NJW 2022, 960, 962 Rn. 21).

Der Klageantrag Ziffer 1. enthält keine Angabe, zu welchem Stichtag die Wertermittlung der streitgegenständlichen von der Beklagten begehrt wird.

II.

Es war über die Stufenklage durch Endurteil und nicht durch Teilurteil zu entscheiden.

1. Grundsätzlich ist über die in den einzelnen Stufen gestellten Anträge jeweils gesondert zu verhandeln und durch Teilurteil zu entscheiden. Durch Teilurteil ist auch dann zu entscheiden, wenn sich der Anspruch auf Wertermittlung als unzulässig oder unbegründet erweist, daraus aber noch nicht folgt, dass auch der Leistungsanspruch unbegründet ist (vgl. BGH, NJW 1995, 2923; BeckOK ZPO/Bacher, 47. Ed. 1.12.2022, ZPO § 254 Rn. 17 f.). Ist die Stufenklage als solche bereits unzulässig oder fehlt dem Hauptanspruch bereits die materiell-rechtliche Grundlage, ist durch Endurteil und nicht durch Teilurteil zu entscheiden (BGH, NJW 2002, 1042, 1044; Greger in Zöller, ZPO, 34. Auflage, § 254 Rn. 9).

2. Vorliegend fehlt dem Anspruch auf Zahlung eines Pflichtteilsergänzungsanspruchs gemäß § 2325 Abs. 1 BGB bereits die materiell-rechtliche Grundlage. Die Klägerinnen haben nicht schlüssig und substantiiert dargelegt, dass eine (gemischte) Schenkung der Immobilie vorlag.

a) Hat der Erblasser einem Dritten eine Schenkung gemacht, so kann der Pflichtteilsberechtigte gemäß § 2325 Abs. 1 BGB als Ergänzung des Pflichtteils einen Betrag verlangen, um den sich der Pflichtteil erhöht, wenn der verschenkte Gegenstand dem Nachlass hinzugerechnet wird. Dabei ist der Schenkungsbegriff des § 516 BGB zugrunde zu legen. Eine gemischte Schenkung liegt vor, wenn der Wert der Leistung des einen dem Wert der Leistung des anderen nur zum Teil entspricht, die Vertragsparteien dies wissen und übereinstimmend wollen, dass der überschießende Wert unentgeltlich gegeben wird. Ausschlaggebend ist, ob Leistung und Gegenleistung in der maßgebenden subjektiven Wertung der Parteien gleichwertig sind, denn grundsätzlich können und dürfen die Vertragspartner im Rahmen der Vertragsfreiheit den Wert der auszutauschenden Leistungen und damit auch die Größe eines eventuellen Leistungsüberschusses selbst bestimmen (BGH NJW 1972, 1709, 1710). Ist streitig, ob eine Schenkung vorliegt und damit ein bestimmter Gegenstand überhaupt zum fiktiven Nachlass gehört, muss der Pflichtteilsberechtigte dies grundsätzlich darlegen und beweisen (BGH NJW 1984, 487, 488).

b) Die Klägerinnen haben den Wert der Immobilie zu den nach § 2325 Abs. 2 BGB maßgeblichen Stichtagen bereits nicht schlüssig dargelegt.

aa) Gemäß § 2325 Abs. 2 Satz 2 BGB kommt ein Gegenstand, der nicht eine verbrauchbare Sache darstellt, mit dem Wert in Ansatz, den er zur Zeit des Erbfalls hatte. Hatte er zur Zeit der Schenkung einen geringeren Wert, so wird nur dieser in Ansatz gebracht. Bei Grundstücken ist für den Schenkungsvollzug der Tag der Grundbucheintragung maßgebend (BGH NJW 1831, 1832)

bb) Trotz gerichtlichen Hinweises haben die Klägerinnen den Zeitpunkt der Grundbucheintragung bereits  nicht vorgetragen.

cc) Soweit die Klägerinnen auf die Bodenrichtwerte zum 31.12.2018 bzw. 2017/2018 Bezug nehmen, tragen sie nicht schlüssig vor, dass es sich dabei um den maßgeblichen Stichtag handelt. Jedenfalls handelt es sich dabei nicht um die Zeit des Erbfalls, welcher auf den 16.06.2020 datiert.

c) Die Klägerinnen haben selbst nicht schlüssig und substantiiert vorgetragen, dass der Wert der Immobilie hinter dem Wert der Gegenleistung zurückgeblieben ist.

Die Klägerinnen tragen vor, der Wert des unbebauten Grundstücks betrage je nach von ihnen zu-grunde gelegten Bodenrichtwert 338.870 € bzw. 296.000,00 €. Die Klägerinnen tragen indes selbst vor, es ergebe sich aufgrund der vereinbarten Höhe der Miete und der vereinbarten Laufzeit ein Mietvorteil zu Gunsten des Erblassers und der Beklagten in Höhe von 90.000,00 €. Rechnet man diesen von den Klägerinnen zugrunde gelegten Mietvorteil dem Kaufpreis in Höhe von 250.000,00 € hinzu, ergibt dies einen realen Kaufpreis in Höhe von 340.000,00 €, welcher damit sogar über dem von den Klägerinnen dargelegten Wert des unbebauten Grundstücks liegt.

Die Klägerinnen haben den Wert des bebauten Grundstücks nicht schlüssig dargelegt. Allein der Vortrag, der Sachwert des Gebäudes führe zu einem deutlich höheren Marktwert, ist nicht hinreichend konkret. Soweit die Klägerinnen darauf verweisen, eine einfache Internetrecherche habe ergeben, dass bebaute Grundstücke in vergleichbarer Größe im Ortsteil Aichwald-Schanbach im Jahr 2017 zu einem Preis zwischen 560.000 € und 680.000 € hätten veräußert werden können, haben die Klägerinnen nicht dargelegt, welche Parameter dieser Suche zugrunde lagen. Insbesondere tragen sie nicht vor, ob es sich um Grundstücke mit vergleichbarer Bebauung handelte. Die Art der Bebauung ist jedoch für die Wertfestsetzung eines bebauten Grundstücks ein maßgeblicher Faktor. Auch die Annahme eines Wertes der Immobilie in Höhe von 600.000,00 € ist nicht schlüssig, da die Klägerinnen wiederum nicht darlegen, zu welchem Stichtag dieser Wert vorgelegen haben soll.

d) Selbst wenn man aber von einem schlüssigen Vortrag der Klägerinnen zum Wert der Immobilie ausgehen würde, haben diese trotz des gerichtlichen Hinweises auf ihre Darlegungs- und Beweislast kein geeignetes Beweismittel angeboten.

III.

Der Klageantrag Ziffer 4 ist unbegründet. Die Klägerinnen haben keinen Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten gemäß § 286 Abs. 1 BGB.

1. Mangels Hauptanspruchs besteht kein Anspruch auf vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten.

2. Soweit die Klägerinnen die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten für den bereits vor Klageerhebung geltend gemachten Pflichtteilsanspruch geltend gemacht wurden, haben die Klägerinnen nicht nachgewiesen, dass die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten aufgrund eines Zahlungsverzuges der Beklagten hinsichtlich des bereits bezifferten Pflichtteilsanspruchs der Klägerinnen entstanden sind. Vielmehr befand sich die Beklagte zum Zeitpunkt des anwaltlichen Schreibens vom 30.06.2021, in welchem die Beklagte zur Auszahlung des unstreitigen Pflichtteils in Höhe von 31.689,82 € aufgefordert wurde, nicht in Verzug.

Eine Mahnung der Klägerinnen im Sinne von § 286 Abs. 1 Satz 1 BGB liegt nicht vor. Eine Mahnung ist die an den Schuldner gerichtete Aufforderung zur Leistung. Die in der Mahnung liegende Leistungsaufforderung muss eindeutig und bestimmt sein. Eine Fristsetzung für die Leistung ist nicht notwendig. Es genügt, wenn der Gläubiger zum Ausdruck bringt, dass er die geschuldete Leistung verlangt. Eine Mitteilung, der Leistung werde gern entgegengesehen, ist keine Mahnung; ebenso nicht die Äußerung des Gläubigers, er wäre dankbar, wenn er die Leistung erwarten dürfte (Grüneberg, BGB, 82. Auflage, § 286 Rn. 16 f.; MüKoBGB/Ernst, 9. Aufl. 2022, BGB § 286 Rn. 65).

Gemessen an diesen Grundsätzen stellt die Annahme des Angebots der Beklagten auf Auszahlung eines Mindestbetrags in Höhe von 31.689,82 € und die Bitte auf Auszahlung des Betrages in den Schreiben der Klägerinnen vom 04.05.2021 und 16.05.2021 keine Mahnung dar.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 Satz 1, Satz 2 ZPO.

V.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 48 Abs. 1 Satz 1, 45 Abs. 1 Satz 1, 4 GKG, §§ 3, 5 ZPO.

Hinsichtlich der Stufenklage (Klageanträge Ziffer 1. – 3.) war ein Wert in Höhe von 32.500,00 € festzusetzen. Die Klägerinnen haben im Rahmen der Klageschrift dargelegt, dem Nachlass seien 130.000,00 € fiktiv hinzuzurechnen. Bei Zugrundelegung einer Pflichtteilsquote von je 1/8 würde dies einen Anspruch auf Zahlung eines Pflichtteilsergänzungsanspruchs in Höhe von 16.250,00 € je Klägerin ergeben.

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