Frank Felix Höfer, LL.M.
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Testierunfähigkeit nicht nachgewiesen

Nach sieben Prozessjahren, hiervon über fünf Jahre in der Berufungsinstanz, hat das OLG Stuttgart mit Urteil vom 7. April 2022 (19 U 26/17) entschieden, dass den Klägern der Nachweis der Testierunfähigkeit der Erblasserin nicht gelungen ist und festgestellt, dass die von uns vertretenen Beklagten Erben geworden sind. Das Landgericht Stuttgart ging in der ersten Instanz (Urteil vom 13. Januar 2017, 18 O 400/15) davon aus, dass die Erblasserin bei der Errichtung ihres einseitigen notariellen Testaments vom 15. Februar 2012 testierunfähig war. Nachdem das Landgericht Stuttgart und zunächst auch das Oberlandesgericht Stuttgart eine Prozesskostenhilfe mangels Erfolgsaussichten abgelehnt hatte, erfreut die nach hunderten Schriftsatzseiten, mehreren Gutachten und dem Lesen zahlreicher neuropsychiatrischer Literatur jetzt ergangene Kehrtwende in der Berufung sehr. Das Urteil ist zwischenzeitlich rechtskräftig.

Das Urteil lautet wie folgt:

…hat das Oberlandesgericht Stuttgart – 19. Zivilsenat – durch die Präsidentin des Oberlandesgerichts Hör, den Richter am Oberlandesgericht Dr. Klink und die Richterin am Oberlandesgericht Zauner am 97.04.2022 im schriftlichen Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO aufgrund des Sachstands vom 17. März 2022 für Recht erkannt:

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 13.01.2017 (18 O 400/15) abgeändert und die Klage abgewiesen.

2. Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn die Beklag­ten nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 10% des zu vollstreckenden Betrages leisten.

4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Kläger begehren die Feststellung der Unwirksamkeit des notariellen Testaments der am (…) 2015 verstorbenen Erblasserin (…) sowie die Feststellung ihrer Erbenstellung nach (…). Der Kläger Ziffer 1 nimmt die Beklagten darüber hinaus auf Auskunft über den Bestand des Nachlasses der Erblasserin und den Verbleib von Nachlassgegenständen in Anspruch.

Die Kläger sind die Neffen bzw. die Nichte der Erblasserin, die in einem gemeinschaftlichen Testament der Erblasserin und ihres vorverstorbenen Ehemannes vom (…) 1992 als (Mit-) Erben (zu je 7/10 bzw. 3/10) eingesetzt worden waren.

Im Juli 2011 zogen die Beklagten mit ihrer Tochter in das auch von der Erblasserin bewohnte und in ihrem Eigentum stehende Wohnhaus (…) ein. Mit notariellem Testament vom 15.02.2012 widerrief die Erblasserin ihre im Testament vom (…) 1992 getroffenen Verfügungen und setzte die Beklagten zu ihren Erben (zu je 1/2) ein.

Die Kläger sind der Ansicht, das notariellen Testament vom 15.02.2012 sei unwirksam, da die Erblasserin bei Errichtung dieses Testaments aufgrund schwerer Demenz testierunfähig gewesen sei, so dass die Erbfolge nach dem Testament vom (…) 1992 zu bestimmen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts nimmt der Senat Bezug auf die tatbestandlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 13.01.2017, Az. 18 0 400/15.

Das Landgericht gab in seinem Teil- und Endurteil vom 13.01.2017 dem Feststellungsantrag der Kläger, wonach diese Miterben nach (…) geworden seien und deren notarielles Testament vom 15.02.2012 unwirksam sei, statt und verurteilte die Beklagten zur Auskunftserteilung gegenüber dem Kläger Ziffer 1. Die Erblasserin sei bei Abfassung des Testaments vom 15.02.2012 nicht mehr testierfähig gewesen. Dies folge aus den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. T, den Befunderhebungen des Herrn Dr. A und der Frau Dr. D, den Verlaufsbögen des Reha-Aufenthalts der Erblasserin sowie den Untersuchungsergebnissen des Herrn Dr. T. Zur weiteren Begründung des Landgerichts nimmt der Senat auf das angefochtene Teil- und Endurteil Bezug.

Die Beklagten wenden sich mit ihrer Berufung gegen das Teil- und Endurteil des Landgerichts. Entgegen der Ansicht des Landgerichts sei die Erblasserin am 15.02.2012 nicht testierunfähig gewesen. Das Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen weise handwerkliche Fehler auf. Er und ihm folgend das Landgericht hätten falsche Schlüsse aus den lebzeitigen Gutachten und Arztberichten sowie der Beweisaufnahme vor dem Landgericht gezogen. Das Landgericht habe ohne nähere Begründung auf die Vernehmung der Amtsärztin (Dr.) G und der Amtsverwalterin H und die Aussagen des Herrn Notar a. D. E sowie des Herrn Dr. T nicht gewürdigt. Die Herausgabe der Patientenakte der Frau Dr. D sei zu Unrecht nicht weiterverfolgt worden. Das Attest der Frau Dr. D vom 15.02.2012 sei fehlerhaft verwertet und beurteilt worden. Wie der in zweiter Instanz bestellte Sachverständige Prof. Dr. S ausführlich und überzeugend festgestellt habe, seien bei der Erblasserin im Zeitpunkt der Testamentserrichtung keine psychopathologischen Symptome oder kognitiven Defizite vorhanden gewesen. Die vernommenen Zeugen B, Notar a.D. E, Dr. D, Dr. T und (Dr.) G hätten übereinstimmend angegeben, dass die Erblasserin örtlich und zeitlich orientiert gewesen und keine oder nur leichte kognitive Defizite gezeigt habe. Der Nachweis der Testierunfähigkeit bei Testamentserrichtung sei nicht erbracht. Die Beklagten beantragen (Schriftsatz vom 05.04.2017), die Klage unter Aufhebung des angefochtenen Urteils abzuweisen.

Die Kläger beantragen (Schriftsatz vom 11.04.2017), die Berufung als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise kostenpflichtig zurückzuweisen.

Die Kläger verteidigen das landgerichtliche Urteil. Wie das Landgericht zutreffend festgestellt habe, sei die Erblasserin am 15.02.2012 aufgrund ihrer Demenz testierunfähig gewesen. Das in zweiter Instanz eingeholte Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. S sei nicht verwertbar, es sei widersprüchlich, unzulänglich und berücksichtige den Sachverhalt nur einseitig. Zum weiteren Vortrag der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen verwiesen.

In zweiter Instanz wurde Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. S und durch Einholung eines Zusatzgutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. H. Auf die Gutachten – nebst der eingeholten Ergänzungsgutachten sowie die Protokolle der Anhörungen des Sachverständigen Prof. Dr. S – wird Bezug genommen. Des Weiteren wurden in zweiter Instanz die Zeugen (Dr.) G, B (H), Dr. D, K, C1, C2, C3, P1, P2, Ö und B2 vernommen und die Patientenakte der Erblasserin bei deren Hausärztin Dr. D beigezogen. Auf die Protokolle der Vernehmungen und die Patientenakte wird Bezug genommen.

Die Akten des Notariats (…) – Betreuungsgericht – und des Amtsgerichts (…) – Betreuungsgericht – wurden beigezogen.

II.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet. Sie führt zur Abweisung der Klage.

Entgegen der Ansicht des Landgerichts ist den Klägern der Nachweis, dass die Erblasserin bei Errichtung ihres Testaments vom 15.02.2012 testierunfähig gewesen war, nicht gelungen, so dass weder die Unwirksamkeit des Testaments vom 15.02.2012 noch die Erbenstellung der Kläger festzustellen war. Nachdem der Kläger Ziffer 1 nicht Erbe nach (…) geworden ist, sind die Beklagten ihm auch nicht zur Auskunftserteilung verpflichtet.

1. Der Antrag der Kläger auf Feststellung, dass sie zu 7/30 bzw. zu 3/30 Miterben nach der Erblasserin (…) geworden seien und das notarielle Testament der Erblasserin vom 15.02.2012 unwirksam sei, ist zwar zulässig, er hat in der Sache aber keinen Erfolg, da die Kläger den Nachweis der Testierunfähigkeit der Erblasserin zum Zeitpunkt der Abfassung des Testaments vom 02.2012 nicht erbracht haben, so dass die Beklagten – und nicht die Kläger – Erben nach (…) geworden sind.

1.1 Nach § 2229 Abs. 4 BGB kann ein Testament nicht errichten, wer wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit, wegen Geistesschwäche oder Bewusstseinsstörung nicht in der Lage ist, die Bedeutung einer von ihm abgegebenen Willenserklärung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln. Testierunfähig ist derjenige, dessen Erwägungen und Willensentschlüsse nicht mehr auf einer dem allgemeinen Verkehrsverständnis entsprechenden Würdigung der Außendinge und der Lebensverhältnisse beruhen, sondern durch krankhaftes Empfinden oder krankhafte Vorstellungen und Gedanken derart beeinflusst werden, dass sie tatsächlich nicht mehr frei sind, sondern vielmehr von diesen krankhaften Einwirkungen beherrscht Dabei braucht diese Unfreiheit der Willensbildungen nicht darin zutage treten, dass der Erblasser sich keine Vorstellung von der Tatsache der Errichtung eines Testaments und von dessen Inhalt zu machen vermag. Die Unfreiheit kann sich vielmehr darauf beschränken, die Motive für die Errichtung einer letztwilligen Verfügung entscheidend zu beeinflussen. Testierunfähig ist daher auch derjenige, der nicht in der Lage ist, sich über die für und gegen seine letztwillige Verfügung sprechenden Gründe ein klares, von krankhaften Einflüssen nicht gestörtes Urteil zu bilden und nach diesem Urteil frei von Einflüssen etwaiger interessierter Dritter zu handeln (ständige Rechtsprechung des BGH, vgl. FamRZ 1958, 127, 128). Das setzt voraus, dass es ihm bei der Testamentserrichtung möglich ist, sich an Sachverhalte und Ereignisse zu erinnern, Informationen aufzunehmen, Zusammenhänge zu erfassen und Abwägungen vorzunehmen (OLG München, Beschluss vom 14.08.2007 -31 Wx 16/07).

1.2 Da die Testierfähigkeit eines Menschen den Regelfall darstellt, sind deren Wegfall sowie die daraus folgende Unwirksamkeit einer letztwilligen Verfügung von demjenigen zu beweisen, der sich darauf beruft (BGH, v. 29. Januar 1958 – IV ZR 351/57 – FamRZ 1958, 127).

Dieser Nachweis ist den Klägern nicht gelungen.

1.2.1 Der Senat ist nicht gemäß § 529 Abs. 1 ZPO an die Feststellungen des Landgerichts gebunden, da konkrete Anhaltspunkte bestanden, die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründeten und deshalb eine erneute Feststellung

1.2.1.1 Das in erster Instanz eingeholte Gutachten des Sachverständigen Herrn Dr. T hätte das Erstgericht nicht zur Grundlage seiner Entscheidung machen dürfen, da der Sachverständige seine Annahme einer Testierunfähigkeit der Erblasserin nicht ausreichend begründet hatte. So fehlte es an einer nachvollziehbaren Begründung des Sachverständigen, wie er zum Ergebnis einer deutlich ausgeprägten Demenz gelangt war, was er konkret unter deutlich ausgeprägter Demenz verstanden hat und ob diese – aus seiner Sicht – mit einer mittelgradigen Demenz gleichzusetzen sei. Grundsätzlich müssen Ausführungen eines Sachverständigen aber so gehalten sein, dass sie eine verantwortliche richterliche Prüfung auf ihre wissenschaftliche Fundierung, Logik und Schlüssigkeit zulassen (OLG Zweibrücken, Beschluss vom 18. Februar 2005 – 3 W 17/05 -). Dies war hier nicht uneingeschränkt der Fall. Insbesondere zum Grad der Demenz blieben die Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. T vage, wenn nicht sogar unklar. Hinzukommt, dass dem Sachverständigen Prof. Dr. T wesentliche Zeugen­ aussagen und Unterlagen (insbesondere die Aussage der Hausärztin Dr. D und deren Patientenakte) nicht zur Verfügung standen, so dass er nicht alle wesentlichen Tatsachen in seine Beurteilung einbeziehen konnte.

1.2.1.2 Hinzukommt, dass die Beweisaufnahme vor dem Landgericht nicht erschöpfend war, nachdem das Landgericht zu Unrecht auf die Vernehmung weiterer Zeugen (z. B. der Amtsärztin (Dr.) G, der Notarvertreterin H (jetzt Notarin B sowie der Zeugen Ö, B2 und C3 verzichtet hatte. Zu de­ren Vernehmung bestand jedoch Anlass, da sie bereits in erster Instanz zu einem be­weiserheblichen Vortrag benannt worden waren.

1.2.2 Die Frage der Testierunfähigkeit der Erblasserin im Zeitpunkt der Testamentserrichtung am 15.02.2012 war daher durch den Senat selbst zu beurteilen. Unter Würdigung aller Umstände, insbesondere der vorliegenden Unterlagen, des Sachverständigengut­achtens des Herrn Prof. Dr. S (nebst dem Ergänzungsgutachten des Herrn Prof. Dr. H) sowie der Zeugenaussagen ist der Senat nicht davon überzeugt, dass die Erblasserin bei Errichtung ihres Testaments am 15.02.2012 tes­tierunfähig gewesen war.

1.2.2.1 Aus der Gesamtheit der Zeugenaussagen und Unterlagen ergibt sich für den Senat folgender Sachverhalt, wobei hier lediglich die wesentlichen Aspekte dargestellt wer­ den:

1.2.2.1.1 Die Erblasserin verfügte zunächst über ein gutes bzw. unbelastetes Verhältnis zu den Klägern (insbesondere zum Kläger Ziffer 1). Diese waren auch in dem gemein­schaftlichen Testament der Erblasserin und ihres vorverstorbenen Ehemannes vom (…) 1992 als (Mit-) Erben eingesetzt worden waren.

1.2.2.1.2 Am 07.04.2011 stellte Dr. A bezüglich der Erblasserin die Diagnose „begin­nende Demen z noch unklarer Genese“. In dem durchgeführten Mini-Men­tal-Status-Test erzielte die Erblasserin 22 Punkte, wobei insoweit eine Rechen­ schwäche und eine vermindere Merkfähigkeit im Vordergrund stand.

1.2.2.1.3Die Beklagten zogen im Juli 2011 mit ihrer Tochter in die Dachgeschosswohnung des auch von der Erblasserin bewohnten Hauses (…) ein und freundeten sich mit dieser an. In der Folgezeit unterstützten die Beklag­ten die Erblasserin in ihrer Haushaltsführung bzw. versorgten und pflegen diese, nachdem sich der Gesundheitszustand der Erblasserin in der darauffolgenden Zeit zusehends verschlechterte.

1.2.2.1.4 Im Januar 2012 begab sich die Erblasserin für drei Wochen auf Kur nach (…), die nicht sie – zumindest nicht ohne die Hilfe Dritter – organisiert hatte. Während ih­res Aufenthalts war sie an einigen Tagen in der Nacht verwirrt, weshalb ihr mehrmals Eunerpan verordnet wurde. Im (Entlass-) Arztbrief des Herrn Dr. T2 vom 08.02.2012 wurde unter „Diagnosen“ auch „F01 Vasku­läre Demenz“ aufgeführt.

1.2.2.1.5 Ab ca. September 2011 hob die – bisher sparsame – Erblasserin hohe Geldbeträge von ihren Konten ab.

1.2.2.1.6 Die Hausärztin der Erblasserin, Frau Dr. D, hielt in ihrem Attest vom 15.02.2012 fest, dass die Erblasserin auf Grund einer fortschreitenden vaskulären Demenz nicht mehr in der Lage sei, den Wert der Leistungen, die ihre Mieter ihr entgegenbrächten, richtig einzuschätzen. Aus ärztlicher Sicht habe sie ihr oft dringend zum Zusammenhalt ihres Vermögens geraten. Ggf. solle sie ihren letz­ten Wunsch testamentarisch festlegen, ihr Vermögen aber jetzt noch nicht ver­schenken.

1.2.2.1.9 Am 15.02.2012 beurkundete Herr Notar E das notarielle Testament der Erblasserin, mit dem diese die Beklagten zu ihren Erben einsetze. Hierbei hielt er fest, dass die Erblasserin nach seiner Überzeugung testierfähig sei.

1.2.2.1.8 Am 28.02.2012 erstellte Herr Dr. T aufgrund seiner Untersuchung vom 27.02.2012 ein Gutachten zur Frage der Geschäftsfähigkeit der Erblasserin. Er stellte deutlich ausgeprägte kognitive Einbußen fest. Die Erblasserin ha­be keine belastbare Auskunft über die Höhe ihrer monatlichen Rente, ihres Barver­mögens oder ihres Immobilienvermögensmachen können, weder die Rechenreihe 100-7 noch der Uhrentest seien durchführbar gewesen, im Kurzzeitgedächtnis ha­be es Einschränkungen gegeben; das Zusammenzählen von Münzen sei ihr nicht gelungen. Herr Dr. T sah erhebliche Zweifel an der völligen Ungestörtheit der freien Willensentscheidung der Erblasserin, deren Ursache in einem beginnenden demenziellen Abbau lägen. Sie könne ihre finanziellen Angelegenheiten nicht mehr uneingeschränkt selbständig regeln und nicht bis ins letzte Detail verstehen, welche Konsequenzen ein Schenkungsvorhaben für ihre finanzielle Zukunft haben könne. Eine Betreuung werde dringend vorgeschlagen. Ein von ihr zu verfassendes Testa­ ment halte er aktuell aber für unbedenklich und nicht anfechtbar.

1.2.2.1.9 Jedenfalls ab dem Jahr 2012 verschlechterte sich das bisherige (Vertrauens-) Ver­hältnis der Erblasserin zum Kläger Ziffer 1 zunehmend. Am 06.03.2012 widerrief die Erblasserin eine dem Kläger Ziffer 1 im Jahr 1998 erteilte Generalvollmacht und am 11.07.2012 eine dem Kläger Ziffer 3 im Jahr 2010 erteilte Generalvoll­macht.

1.2.2.1.10 Frau Amtsärztin (Dr.) G hielt in ihrem Gutachten vom 13.06.2012 fest, dass die Erblasserin Fragen nach Datum, Jahreszeit, Uhrzeit, Tageszeit und Wohnadresse beantworten könne, auch einfache Rechenaufgaben könne sie lö­sen, nicht aber komplizierte. Sie sei in der Lage zu lesen, verstehe den Inhalt aber nur noch begrenzt. Eine erneute Demenztestung habe eine leichte Demenz erge­ben. Fragen zur Funktion der Ärztin und den Grund der Untersuchung könne sie kurze Zeit später noch beantworten. Die Amtsärztin stellte einen beginnenden Hirn­abbauprozess mit Störungen der kognitiven Fähigkeiten fest, die Erblasserin sei un­fähig, ihre Vermögensangelegenheiten selbst zu besorgen.

1.2.2.1.11 Am 11.07.2012 und 14.08.2012 wurde die Erblasserin im Rahmen eines Betreu­ungsverfahrens durch Frau Notarvertreterin H angehört. Diese vermerkte, dass die Erblasserin geistig klar und bestimmt wirke.

1.2.2.1.12 Mit Beschluss vom 14.08.2012 lehnte das Notariat Esslingen – Betreu­ungsgericht – die Bestellung eines Betreuers für die Erblasserin ab, da keine An­haltspunkte dafür bestünden, dass diese ihren freien Willen nicht mehr äußern kön­ne.

1.2.2.1.13 In der Folgezeit verschlechterte sich der Zustand der Erblasserin zunehmend.

1.2.2.1.14 In seinem nervenärztlichen Gutachten vom 18.10.2013 gelangte Herr Dr. F zu der Feststellung, bei der Erblasserin liege eine mittelschwere bis schwere Demenz mit schweren Denk- und Gedächtnisstörungen, Störung der Wil­lensbildung und der kritischen Selbstsicht vor. Im Mini-Mental-Test erreichte sie 12 von 30 Punkten. Herr Dr. F ging von einer Geschäftsunfähigkeit aus, die auf­grund der Symptomatik, der Vorbefunde und des vermuteten Verlaufs, seit mindes­tens zwei Jahren bestehe.

1.2.2.1.15 In seinem Gutachten vom 11.06.2013 stellte Herr Dr. T fest, dass bei der Erblasserin eine fortgeschrittene Demenz und eine ausgeprägte Einschränkung in die Einsicht der finanziellen Verwaltung vorliege. Dies bestätigte er in seinem Gutachten vom 16.09.2013, wobei er davon aus­ ging, dass der Zustand der Geschäftsunfähigkeit sicherlich seit dem 27.02.2012 be­standen habe.

1.2.2.1.16 Mit Beschluss vom 16.08.2013 ordnete das Notariat Esslingen die Be­treuung für vermögensrechtliche und persönliche Angelegenheiten der Erblasserin an, da diese nicht in der Lage sei, ihre Angelegenheiten insoweit selbst zu besor­gen.

1.2.2.1.17 Mit Beschluss vom 19.11.2013 ordnete das Amtsgericht (…) – Betreuungsgericht – an, dass die Erblasserin zu einer Willenserklärung, die den Aufgabenkreis „Vermögenssorge“ betrifft, der Einwilligung des Betreuers bedür­fe, da bei ihr eine mittelschwere bis schwere Demenz vorliege, die dazu führe, dass sie ihr Vermögen gefährde.

1.2.2.2 Unter Zugrundelegung dieses Sachverhalts und nach eingehender Prüfung des Gut­ achtens des Sachverständigen Prof. Dr. S (nebst Zusatzgutachten des Herrn Prof. Dr. H) sowie unter Würdigung der Zeugenaussagen und Unter­lagen ist der Senat der Auffassung, dass eine Testierunfähigkeit der Erblasserin zum Zeitpunkt der Errichtung des notariellen Testaments vom 15.02.2012 nicht nachgewiesen ist.

1.2.2.2.1 Der Sachverständigen Prof. Dr. S, von dessen Kompetenz der Senat in vollem Umfang überzeugt ist, erläuterte überzeugend, dass von einer Testierun­fähigkeit der Erblasserin am 15.02.2012 nicht sicher ausgegangen werde könne. Der Sachverständige war in der Berufungsinstanz während der Zeugenvernehmun­gen anwesend, er ging in seinem Gutachten und seinen mündlichen Ausführungen auf sämtliche sich aus der Beweisaufnahme und den Gerichtsunterlagen ergeben­de Aspekte ein und begründete in seinen Gutachten überzeugend, widerspruchsfrei und schlüssig das gefundene Ergebnis einer nur leichten Demenz der Erblasserin und des Nichtvorliegen psychopathologischer Symptome oder neuropsychologi­scher Defizite zum Zeitpunkt der Errichtung des streitgegenständlichen Testaments und damit der Nichtfeststellbarkeit einer Testierunfähigkeit. Der Senat folgt den Feststellungen und Ausführungen des Sachverständigen vollumfänglich (aufgrund eigener Überzeugungsbildung). Die Einwände der Kläger gegen die Feststellungen des Sachverständigen führen nicht zu Bedenken gegen die Richtigkeit des Gutach­tens.

1.2.2.2.1.1 Soweit die Kläger rügen, der Sachverständige sei von einem falschen Sachverhalt ausgegangen, kann dem nicht gefolgt werden. Zwar mag es zutreffen, dass Frau Dr. D bereits 2008 eine „nicht näher be­zeichnete Demenz“ der Erblasserin in ihren Unterlagen erwähnt hatte, sie selbst gab aber in ihrer Zeugenvernehmung an, es wundere sie, dass sie bereits 2008 Untersuchungen hierzu durchgeführt habe, und sie könne sich an den Anlass nicht erinnern. Nachdem sich weder die Untersuchungen zur Demenz in der Akte befinden noch der konkrete Anlass dieser Untersuchungen bekannt ist, konnte und musste der Sachverständige auch keine Schlüsse aus einer Untersuchung 2008 ziehen und konnte und durfte angesichts fehlender aussagekräftiger Unterlagen auch nicht von einer tatsächlich festgestellten Demenz 2008 ausgehen.

Auch kommt dem Attest der Frau Dr. D vom 15.02.2012 kein (jedenfalls kein wesentlicher) Beweiswert im Hinblick auf die Frage der Testierunfähigkeit zu, da Frau Dr. D in ihrer Vernehmung zum Anlass (auf Bitte und auf der Grundlage der Informationen des Klägers Ziffer 1 erstellt) und zur Bedeutung ihres Attests (Versuch, hohe Schenkungen der Erblasserin zu ihren Lebzeiten zu verhindern) Stellung genommen hatte.

Der Sachverständige ging – entgegen der Ansicht der Kläger – auch nicht davon aus, dass die Erblasserin den Termin bei Dr. T selbst vereinbart oder dort allein hingefahren sei, sondern ging lediglich – zu Recht – davon aus, dass sie sich dort selbständig vorstellte, also den Termin – ob mit oder ohne die Hilfe ande­rer – allein wahrnahm. Auch nahm der Sachverständige zu Recht an, dass sich das Zustandsbild nicht „greifbar“, also nicht erheblich verschlechtert hatte, was angesichts der erreichten Punktzahl zutreffend ist, wenn auch geringfügige Ver­änderungen im Vergleich zu dem Test aus dem Jahr 2011 zu verzeichnen waren. Zu Recht hat der Sachverständige ausgeführt, dass Herr Dr. T die Testierfähigkeit der Erblasserin bejaht hatte. Die Frage, welche (rechtlichen und tatsäch­lichen) Schlüsse aus den durchaus widersprüchlichen Erklärungen des Herrn Dr. T zu ziehen sind und ob dieser überhaupt in der Lage war, die Frage nach einer Testierunfähigkeit zu beantworten, hat nicht der Sachverständige, sondern der Senat zu beurteilen.

Dass telefonische Absprachen mit der Erblasserin möglich waren, ist – entgegen der Annahme der Kläger – zumindest den Aussagen der Zeugen C3 und Notar E („den Termin habe ich ihr telefonisch durchgegeben“) zu entnehmen und damit zutreffend.

1.2.2.2.1.2 Dass der Sachverständige in seinem Ergänzungsgutachten vom 15.12.2021 nicht ausdrücklich zu möglichen Verhaltensänderungen, Realitätsferne, Wahnvorstel­lungen und einem Abhängigkeitsverhältnis Stellung genommen hat, ist nicht zu beanstanden, da er hierzu nicht befragt worden war und er – soweit erforderlich – bereits in seinen vorhergehenden Gutachten hierzu ausgeführt hatte. Eine Differenzierung nach den Erkenntnisquellen hat der Sachverständige durchaus vorge­nommen, indem er den Zeugenaussagen ein wenig konsistentes Bild entnahm und den (objektiven) Testungen größeres Gewicht zumaß, zumal eine Würdigung der Zeugenaussagen Aufgabe des Senats ist.

1.2.2.2.1.3 Fehl geht die Berufung mit ihrer Rüge, der Sachverständige habe es für ausge­schlossen gehalten, dass eine Testierunfähigkeit bei bloß leichter Demenz vorlie­gen könne, denn der Sachverständige hat sein Gutachten gerade nicht allein auf das Ergebnis der Testungen gestützt, sondern das Gesamtverhalten und das Ge­samtbild der Erblasserin in seine Beurteilung miteinbezogen. Die Ergebnisse der Testungen lagen auch nicht – wie die Berufung meint – im Grenzbereich zu einer mittleren Demenz, sondern sind noch eindeutig der leichten Demenz zuzuord­nen. Worauf die Schwierigkeiten der Erblasserin, eine geometrische Figur zu zeichnen und zu schreiben letztendlich beruhten, konnten der Sachverständige und der Senat dahingestellt lassen, nachdem auch ein Ausschluss eines Gesichtsfeldausfalls nichts daran ändert, dass bei der Erblasserin im Februar 2012 keine ausreichenden Anhaltspunkte für eine Testierunfähigkeit vorlagen, und zwar auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass derartige Einschränkungen nach Ansicht des Sachverständigen zumeist – aber eben nicht immer – in späte­ren fortgeschrittenen Demenzstadien auftreten (für deren Vorliegen aber keine sonstigen Anhaltspunkte nachgewiesen wurden).

1.2.2.2.1.4 Für die Annahme der Berufung, die Erblasserin habe schon 2012 keine Kenntnis ih­res Immobilienvermögens gehabt, bestehen keine ausreichenden Anhaltspunkte, nachdem die Erblasserin gegenüber Frau (Dr.) G und Frau H am 05.04.2012 bzw. am 11.07.2012 über das Vorhandensein zweier Häuser berichtet und Herr C3 in seiner Vernehmung erklärt hatte, die Erblasserin habe Überblick über ihr Immobilienvermögen gehabt. Dem steht die Angabe des Herrn Dr. T seinem Gutachten vom 28.02.2012, belastbare Auskünfte seien hierzu nicht möglich gewesen, nicht entgegen, da Herr Dr. T die konkrete Antwort der Erblasserin nicht festgehalten hatte, so dass unklar bleibt, worauf sei­ne Einschätzung beruhte.

1.2.2.2.1.5 Auf die Rüge, der Sachverständige habe sich nicht mit dem Schreiben der Frau Dr. D vom 15.02.2012, in dem diese mitteilte, die Erblasserin sei nicht in der La­ge, den Wert der Leistungen, die ihr ihre Mieter entgegenbringen, richtig einzuschätzen, der Wert der von ihr getätigten Schenkungen stehe nicht in einem an­ gemessenen Verhältnis, auseinandergesetzt, ist zu berücksichtigen, dass dem Attest vom 15.02.2012 nach der Zeugenvernehmung der Frau Dr. D kein (zumindest kein wesentlicher) Beweiswert mehr beizumessen ist. So hat Frau Dr. D nämlich in ihrer Vernehmung vor dem Senat erklärt, sie habe das Attest vom 15.02.2012 auf Bitte des Herrn B (Kläger Ziffer 3) geschrieben, ihre In­formationen zum angemessenen Verhältnis von Leistungen und Gegenleistungen hätten ausschließlich auf Aussagen der Neffen beruht. Sie habe sich Sorgen ge­macht, dass die Erblasserin wegen der Geldabflüsse ein Sozialfall werden könne, unter diesem Blickwinkel sei ihr Attest zu sehen. Sie sei davon ausgegangen, dass die Erblasserin ihren Grundbesitz komplett verschenken würde. Tatsächlich seien ihr im Wesentlichen keine großen Einschränkungen bei der Erblasserin auf­ gefallen. Unter Würdigung dessen dürfte es sich um ein „Gefälligkeitsattest“ ge­handelt haben bzw. ein Attest, dass in Sorge um die finanziellen Verhältnisse der Erblasserin auf der Grundlage nicht selbst überprüfter Umstände ausgestellt wur­de, so dass es zum Nachweis der Testierunfähigkeit nicht geeignet ist.

1.2.2.2.1.6 Wie der Sachverständige zu Recht darlegt, sind auch keine Wahnbildungen der Erblasserin zum Zeitpunkt 15.02.2012 anzunehmen bzw. nachgewiesen. Insbe­sondere kann die Furcht einer älteren Person, in ein Heim ziehen zu müssen, in Anbetracht ihres Gesundheitszustands, der es nahelegte, dass ein dauerhaftes Alleinleben nicht möglich sein würde, nicht unter die Begriffe „Wahnbildungen oder Hinweise auf ein psychotisches Erleben“ gefasst werden; diese Furcht er­ scheint vielmehr leicht nachvollziehbar und berechtigt. Inwieweit Aussagen der Erblasserin zu einer Pflegekraft und einem Aufzug möglicherweise auf Missver­ständnissen beruhten, kann heute nicht mehr geklärt werden, jedenfalls können diese Punkte nicht als „Wahnbildungen oder Hinweise auf ein psychotisches Erle­ben“ angesehen werden. Soweit die Erblasserin mehr als ein Jahr nach der Er­richtung ihres Testaments annahm, vom Kläger Ziffer 1 ins Bein gestochen wor­den zu sein, können hieraus angesichts eines nicht gleichförmigen Verlaufs einer Demenzerkrankung keine ausreichend sicheren Schlüsse auf ihren Zustand im Zeitpunkt der Testamentserrichtung gezogen werden.

1.2.2.2.1.7 Entgegen des Einwands der Kläger trifft die Annahme des Sachverständigen, Herrn Dr. F hätten die zuvor erhobenen Befunde nur auszugsweise zur Verfügung gestanden, jedenfalls insoweit zu, als Herrn Dr. F der Vorbefund des Herrn Dr. A (Mini-Mental-Test) aus dem Jahr 2011 und die Testung durch Frau Dr. D nicht zur Verfügung standen, er also tatsächlich nicht alle Vorbefunde kannte.

1.2.2.2.1.8 Soweit die Kläger rügen, der Sachverständige habe nicht berücksichtigt, dass die Erblasserin Eunerpan und Haloperidol während ihres Aufenthalts in (…) vom 18.01.2012 bis 08.02.2012 erhalten habe, kann aus dieser zeitlich beschränkten Medikamentengabe wegen nächtlicher Verwirrtheitszustände in der Reha nicht auf eine Testierunfähigkeit geschlossen werden, denn eine nächtlichen Verwirrt­heit bei Älteren in einer neuen Umgebung ist durchaus nicht ungewöhnlich, zumal die Medikamentengabe nach Beendigung der Reha nicht fortgesetzt wurde (vgl. auch die Stellungnahme der Frau Dr. D vom 24.11.2017, wonach sie nur am 13.02.2012 aufgrund des Entlassungsbriefes aus (…) als Bedarfsmedikation 1 Packung Eunerpan aufgeschrieben habe).

1.2.2.2.1.9 Ein pathologisch veränderter Realitätsbezug der Erblasserin – wie ihn die Kläger­vertreterin annimmt – weil die Erblasserin am 27.02.2012 bei Herrn Dr. T nicht mehr gewusst habe, dass sie einige Tage zuvor ein Testament errichtet hat­te, kann nicht festgestellt werden. Dass die Erblasserin eine lebzeitige Übertra­gung von Immobilen erwog, obgleich sie die Beklagten gerade erst als Erben ein­ gesetzt hatte, ist durchaus möglich und schließt sich nicht aus, zumal Herr Dr. T in seiner Vernehmung vor dem Landgericht ausgesagt hatte, Herr (Notar) E – der von der Testamentserrichtung wusste, weil er sie selbst beurkundet hatte – habe ihm gegenüber angedeutet, dass die Erblasserin eine Schenkung vornehmen wolle.

Erhebliche Einwände gegen das Sachverständigengutachten liegen somit nicht vor.

1.2.2.2.2 Der Senat geht davon aus, dass bei der Erblasserin zumindest seit 2011 eine be­ginnende demenzielle Erkrankung vorlag, diese aber auch im Februar 2012 erst ei­nem leichten Schweregrad erreicht hatte. Dies folgt zum einen aus den Ergebnis­ sen der Mini-Mental-Tests, die die Erblasserin am 07.04.2011 und am 27.02.2012 durchgeführt hatte (22 bzw. 21 von 30 Punkten), die für einen (zunächst) stagnie­renden bzw. langsamen Verlauf einer leichten Demenz sprechen. Damit in Einklang steht das amtsärztliche Gutachten der Frau (Dr.) G vom 13.02.2012, deren Testung ebenfalls zur Annahme einer leichten Demenz führte.

1.2.2.2.3 Zwar mögen die (objektiven) Ergebnisse der Testungen nicht von vornherein die An­nahme einer Testierunfähigkeit der Erblasserin am 15.02.2012 ausschließen, der Senat sieht jedoch keine ausreichenden zusätzlichen psychopathologischen Auffäl­ligkeiten oder neuropsychologischen Defizite der Erblasserin als nachgewiesen an, um aus dem Gesamtbild eine Testierunfähigkeit sicher annehmen zu können.

1.2.2.2.3.1 Die den Mini-Mental-Tests der Jahren 2011 und 2012 zu entnehmenden Einschrän­kungen der Erblasserin in der Aufmerksamkeit und Merkfähigkeit sind für sich genommen nicht geeignet, die sichere Annahme zu begründen, dass die Erblasse­rin sich an Sachverhalte und Ereignisse nicht zu erinnern vermochte, Informationen nicht aufnehmen, Zusammenhänge nicht erfassen und Abwägungen nicht vornehmen konnte. Auch die Einschränkungen beim Schreiben eines Satzes oder dem Abzeichnen einer Figur genügen hierfür nicht, auch wenn nicht abschließend geklärt werden konnte, ob diese – wie der Sachverständige meint – mit „Kontami­nationen“ infolge ischämischer Veränderungen erklärt werden können. Gegen ei­ne Testierunfähigkeit spricht, dass die Erblasserin – zumindest bis Juni 2012 – ört­lich und zeitlich orientiert war und aktuelle Informationen verarbeiten konnte. So vermochte die Erblasserin noch im Juni 2012 Fragen der Frau (Dr.) G nach dem aktuellen Datum, der Jahreszeit, der Uhrzeit, der Tageszeit und ihrer Wohnadres­se folgerichtig zu beantworten, sich den Namen und die Funktion der Frau (Dr.) G sowie den Grund der Untersuchung zu merken und zu ihrem Reha-Aufenthalt im Januar/Februar 2012 in (…) sowie ihrer derzeitigen Lebenssituation auszu­führen. Auch wusste sie, dass die Tochter der Beklagten nicht ihre Enkelin war, auch wenn sie sich von ihr Oma nennen ließ. Anders als bei Herrn Dr. T konnte sie Angaben zu ihrer Rente (…) machen und ihr Immobilienvermögen (…) benennen, so dass ih­rem Unvermögen gegenüber Herrn Dr. T, hierzu klare Angaben zu ma­chen, kein Gewicht beizumessen ist, zumal nicht bekannt ist, welche konkreten Antworten sie Herrn Dr. T gab.

1.2.2.2.3.2 Soweit im Arztbrief des Herrn Dr. T2 die Diagnose vaskuläre Demenz enthal­ten ist und bei der Erblasserin während ihres Reha-Aufenthalts in (…) nächt­liche Verwirrtheitszustände auftraten, spricht dies nicht für eine Testierunfähigkeit, nachdem zum einen die Schwere der Demenz nicht benannt ist, Testungen nicht durchgeführt wurden und Herr Dr. T2 Orthopäde ist. Zudem erklärte dieser in seiner Zeugenvernehmung, die Diagnose „vaskuläre Demenz “ sei aufgrund der Vorbefunde des Neurologen und den Beobachtungen während der Reha gestellt worden, sie sei etwas widersprüchlich und nicht vollständig orientiert gewesen, aus seiner Sicht sei es aber schwierig, hier von Demenz zu sprechen. Auch komme es häufig bei älteren Menschen, die aus ihrem häuslichen Bereich herausge­rissen würde, zu einer nächtlichen Verwirrtheit, tagsüber sei die Erblasserin kognitiv unauffällig gewesen. Hierzu steht in Einklang, dass die Hausärztin der Erb­lasserin nach dem Aufenthalt in (…) eine weitere Verwirrtheit weder doku­mentiert noch in ihrer Zeugenvernehmung erwähnt hatte.

1.2.2.2.3.3 Soweit die Kläger auf ein ärztliches Attest der Hausärztin der Erblasserin vom 15.02.2012 abstellen, in der Frau Dr. D eine fortschreitende vasku­läre Demenz festhielt und erklärte, die Erblasserin sei nicht mehr in der Lage, den Wert der Leistungen, die ihre Mieter ihr entgegenbrächten, richtig einzuschätzen, spricht dieses unter Zugrundelegung der Zeugenaussage der Frau Dr. D nicht für eine Testierunfähigkeit der Erblasserin, denn die Erklärung im Attest zur objektiven Beurteilung und zu einem angemessenen Verhältnis von Leistungen und Gegenleistungen beruhte ausschließlich auf Aussagen des Neffen der Erb­lasserin, der Hausärztin selbst waren im Wesentlichen keine großen Einschrän­kungen bei der Erblasserin aufgefallen. Frau Dr. D erklärte insoweit sogar, ihr Attest wäre möglicherweise anders ausgefallen, wenn es um die Frage der Er­richtung eines Testaments gegangen wäre (was sie in ihrem Attest auch deutlich gemacht hatte, indem sie erklärte, die Erblasserin solle ihren Wunsch testamen­tarisch festlegen). D. h. auf der Grundlage der Angaben der Hausärztin der Erb­lasserin spricht nichts für eine bestehende Testierunfähigkeit im Februar 2012.

1.2.2.2.3.4 Der Umstand, dass bei der Erblasserin im weiteren Verlauf weitere Störungen auf­traten und sie daraufhin im Mini-Mental-Test nur noch 12 von 30 Punkten erzielte, kann nicht zur Begründung einer Testierunfähigkeit im Februar 2012 herangezo­gen werden. Vielmehr ist davon auszugehen, dass sich der Zustand der Erblas­serin in den Monaten und Jahren danach zunehmend verschlechterte. Dagegen, dass schon im Februar 2012 ein ähnlicher Zustand vorgelegen habe wie im Herbst 2013, spricht klar das Ergebnis der Testung durch Herrn Dr. T und Frau Dr. D, zumal Rückschlüsse von einem Zustand in einem bestimmten Zeitpunkt auf vorhergehende Zeiträume aufgrund des Umstands, dass der Verlauf demenzieller Erkrankungen einer Vielzahl von Einflussfaktoren unterliegt, kaum möglich sind. Dementsprechend kann auch der Annahme des Herr Dr. F in seinem Gutachten vom 18.10.2013, der Zustand der Geschäftsunfähigkeit habe schon seit mindestens zwei Jahren bestanden, nicht gefolgt werden, zumal die­ser Annahme die Testungen aus den Jahren 2011 und 2012, mit denen er sich nicht beschäftigt hat bzw. nicht beschäftigen konnte, klar entgegenstehen. Eben­falls nicht überzeugt ist der Senat von der (unbegründeten) Annahme des Herrn Dr. T in seiner Stellungnahme vom 16.09.2013, wonach die Geschäftsunfähigkeit der Erblasserin schon beim letzten Kontakt am 27.02.2012 bestanden habe. Diese Annahme findet nämlich keine Grundlage in seinem Gutachten vom 28.02.2012, in dem er zwar „erhebliche Zweifel an der völligen Ungestörtheit der freien Willensentscheidung“ der Erblasserin äußerte, nicht aber einen Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit, die die freie Willensbestimmung aus­ schloss, feststellte.

1.2.2.2.4 Auch wenn den objektiven Testungen, die zeitnah zur Testamentserrichtung erfolgt waren, ein hoher Beweiswert zukommt, sind die Angaben der vernommenen Zeu­ gen zu berücksichtigen und zu würdigen. Allerdings vermochten die Kläger auch hierdurch nicht den Nachweis einer Testierunfähigkeit der Erblasserin zum fragli­chen Zeitpunkt zu erbringen.

1.2.2.2.4.1 Der als neutral und glaubwürdig anzusehende Zeuge C3 erklärte, die Erblasserin habe in der Zeit, in der er sie begleitet habe (d. h. seit dem 2. Halbjahr 2009) körperlich und geistig abgebaut, sie habe aber 2013 noch gewusst, dass sie bei Frau P war, es sei nicht so gewesen, dass sie nichts mehr gewusst habe. Man auch mit ihr kommunizieren, telefonieren und Termine vereinbaren können, sie habe um Geldabflüsse gewusst. Diese Angaben des Zeugen stützen die Annahme des Senats, bei der Erblasserin habe im Februar 2012 eine leichte Demenz vorgelegen, sie sei zeitlich und örtlich noch voll orientiert gewesen und habe ihren Alltag – wenn auch unter Inanspruchnahme der Hilfe anderer, insbe­sondere der Beklagten – bewältigen können.

1.2.2.2.4.2 Damit in Einklang stehen die Angaben der ebenfalls neutralen Zeuginnen (Dr.) G und B (geb. H). Frau (Dr.) G beschrieb die Erblasserin als zeitlich und ört­lich orientiert, sie sei in der Lage gewesen, allgemeine Fragen aus dem MMST zu beantworten und habe über die Funktion der Zeugin Bescheid gewusst. Diesen Eindruck bestätigte Frau Notarin B (geb. H). die die Erblasserin am 11.07.2012 und 14.08.2012 angehört hatte und in ihren Vermerken festgehalten hatte, dass die Erblasserin geistig klar und bestimmt gewirkt und ihre Situation deutlich und verständlich geschildert habe.

1.2.2.2.4.3 Ganz wesentlich zu berücksichtigen ist auch der Eindruck, den die neutrale Zeugin Frau Dr. D als langjährigen Hausärztin geschildert hatte. Ihr seien nämlich keine großen Einschränkungen aufgefallen, die Erblasserin sei nach ihrem Kur­aufenthalt in (…) in der Lage gewesen, die Frage der Notwendigkeit bestimm­ter Medikamente (Absetzen der Mittel aus der Kur) und der Erforderlichkeit einer Physiotherapie zu besprechen. Auch dies spricht dafür, dass die Erblasserin noch in der Lage war, Informationen aufzunehmen, Abwägungen vorzunehmen und ihren Alltag (mit Hilfe anderer) zu bewältigen.

1.2.2.2.4.4 Dies alles spricht entscheidend dagegen, auf der Grundlage der Aussagen der Zeu­ginnen K, C1, C2 über den geistigen Zustand der Erblasserin im Jahr 2012 eine Testierunfähigkeit zu bejahen.

Die Angaben der Zeugin K, die durch die Zeuginnen C1 und C2 bestätigt wurden, die Erblasserin habe schon ab 2010 „Selbstge­spräche geführt und vor sich hingesungen“ und vergessen, den Herd abzuschal­ten, sind nicht geeignet, die Annahme einer Testierunfähigkeit zu stützen, sondern indizieren allein die Annahme des Senats (und des Sachverständigen Prof. Dr. S), bei der Erblasserin habe im Jahr 2012 eine leichte Demenz vor­ gelegen. Anhaltspunkte dafür, dass das Störungsbild bei der Erblasserin am 15.02.2012 bereits ein Ausmaß erreicht hatte, das zur Annahme einer Testierunfähigkeit führt, konnten den Angaben der Zeugin nicht entnommen werden.

Soweit die Zeugin C1 erklärte, die Erblasserin sei im Herbst 2010/Früh­jahr 2011 auf dem Markt bzw. in der Straße herumgeirrt und habe den Weg nicht mehr gewusst, hält der Senat diese Angaben für nicht glaubhaft. Zum einen hat die Zeugin als Ehefrau des Klägers Ziffer 1 ein erhebliches wirtschaftliches Inter­esse am Ausgang des Rechtsstreits, zum anderen war die Aussage der Zeugin hierzu detailarm und karg, zumal kein anderer Zeuge (insbesondere weder die Zeugen P1 und P2, die die Erblasserin regelmäßig auf dem Markt sahen, noch die Zeugin B2) die geschildeten Vorgänge bestätigen konnte.

Dagegen kann der Senat die Angaben der Zeugin C1, die Erblasserin habe schon 2011 auf dem Markt nicht mehr kassiert (was die Zeugen P1 und P2 bestätigten), sie habe Schwierigkeiten beim Bezahlen im Super­markt gehabt und ihrer Tochter zur Konfirmation im März 2012 ein leeres Kuvert geschenkt (was die Zeugin C2 bestätigte) als wahr unterstellen. Diese Umstände indizieren jedoch lediglich das Vorliegen einer leichten Demenz nicht aber eine Testierunfähigkeit, zumal die Zeugin C1 bestätigte, dass die Erblasserin noch in der Lage war, sich ein einfaches Essen sowie Kaf­fee zuzubereiten und sich Hilfe beim Einkaufen zu organisieren.

1.2.2.2.4.5 Es kann auch nicht aus dem Umstand, dass es seit dem Einzug der Beklagten in das Haus der Erblasserin zu erheblichen Geldabflüssen gekommen ist, auf eine Testierunfähigkeit der Erblasserin im Februar 2012 geschlossen werden, denn selbst wenn diese Geldflüsse ihre Ursache in Schenkungen an die Beklagten und einer Beeinflussung durch diese haben sollten, so führte diese Beeinflussung nicht zur Annahme, dass die Erblasserin im Februar 2012 nicht mehr zu einer freien Willensbildung in der Lage gewesen wäre. Vielmehr ist der Senat auf der Grundlage der Aussage des Zeugen C3 und der Erklärungen der Erb­lasserin gegenüber Frau (Dr.) G am 05.04.2012 sowie Frau B am 11.07.2012, ihr gehe es mit der Familie der Beklagten so gut wie noch nie, bzw. Erklärung ge­genüber Herrn Notar E, sie fühle sich bei den Beklagten wohl, der Ansicht, dass die Erblasserin in der Lage war, das Für und Wider – unterstellter – Schenkungen an die Beklagten abzuwägen und dass sie zu der Entscheidung gelangt war, dass es für sie Vorteile habe, wenn sie durch finanzielle Mittel die für sie gute Situation sichern und ihren Dank für die Mithilfe der Beklagen auszudrücken wür­de. Diese Entscheidung erscheint dem Senat angesichts des Alters der Erblasse­rin und dem Nichtvorhandensein eigener Kinder ein berechtigter und nachvollzieh­barer Wunsch, der nicht darauf schließen lässt, dass es der Erblasserin nicht mehr möglich gewesen wäre, ihren Willen frei zu bestimmen und sich ein klares, von krankhaften Einflüssen ungestörtes Urteil zu bilden und danach zu handeln. Vielmehr spricht ihr Verhalten dafür, dass sie Zusammenhänge erkennen und Umstände gegeneinander abwägen konnte und sich nach Abwägung aller Um­stände dafür entschieden hatte, dass ihr eine sichere Versorgung und Betreuung in ihrer gewohnten Umgebung wichtiger war als ein Zusammenhalten des Erspar­ten und sie auch dem Abfluss erheblicher Vermögenswerte den Vorzug vor einer ungesicherten Pflege und Betreuung geben wollte.

1.2.2.2.4.6 Nachdem den Klägern der Nachweis psychopathologischer Auffälligkeiten oder neuropsychologischer Defizite der Erblasserin im Jahr 2012, die ein Ausmaß erreicht hätten, das zur Annahme einer Testierunfähigkeit führen würde, nicht gelungen ist, kommt den Angaben der Zeugen Ö und B2 kein Gewicht zu, zumal der Senat insoweit nicht verkennt, dass deren Angaben von den durch die jeweili­gen Parteien in diesem Verfahren verfolgten Interessen möglicherweise nicht un­beeinflusst geblieben sind.

Nach alledem kann in der Gesamtschau der durchgeführten Beweisaufnahme eine Tes­tierunfähigkeit der Erblasserin für den 15.02.2012 nicht festgestellt werden. Damit verbleibt es bei der gesetzlichen Annahme der Testierfähigkeit, die auf der Grundlage des wirksa­men Testamentes der Erblasserin vom 15.02.2012 dazu führt, dass die Beklagten und nicht die Kläger Erben nach (…) geworden sind.

2. Ein Anspruch des Klägers Ziffer 1 gegenüber den Beklagten auf Auskunftserteilung über den Bestand des Nachlasses der Frau (…) zum Stichtag (…) 2015 und über den Verbleib der Nachlassgegenstände besteht nicht, da der Kläger Ziffer 1 nicht Er­be nach (…) geworden ist.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit resultiert aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

IV.

Eine Zulassung der Revision war nicht veranlasst. Als reine Einzelfallentscheidung hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO).